Das Controlling in den Unternehmen wird „grün“ und ist ohne „digitalen“ Aufsatz nicht zu meistern. Vor allem die EU-Taxonomie stellt vielfältige und vor allem komplexe regulatorische Anforderungen, um eine neue kohlenstoffarme, widerstandsfähige und ressourceneffiziente Ökonomie zu etablieren. Die digitale Operationalisierung einer „nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenssteuerung“ wird zu größten unternehmerischen Herausforderung im 21. Jahrhundert.
Green Controlling – Ausgangspunkt: Nachhaltige Entwicklung
Die zwei Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind aus dem Dreiklang neue regulatorische Anforderungen, technologische Entwicklungen sowie gesellschaftliche Veränderungen entstanden. Das Thema Nachhaltigkeit wird von der EU-Politik als „regulatorische Bazooka“ eingesetzt und entwickelt sich zum wesentlichen Treiber für die strukturellen Veränderungen in der Finanz- und Realwirtschaft. Die exemplarischen Zusammenhänge aus der EU-Taxonomie werden in hier in einem älteren Blogbeitrag erklärt:
Um unter diesen neuen Herausforderungen überleben und bestehen zu können, müssen sich die Unternehmen aus dem Inneren heraus schnell weiterentwickeln und mit Entschlossenheit nachhaltig transformieren. Der neue unternehmerische Spirit darf in dieser Hinsicht aber kein Lippenbekenntnis sein, ansonsten besteht die große Gefahr des Scheiterns und der damit verbundene Verlust der „License to operate“.
Unter Green Controlling verstehe ich die digitale Operationalisierung einer „nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenssteuerung“.
Green Controlling – Nachhaltigkeit: Chancen und Risiken
Die Stakeholder der Zukunft wollen einerseits über die Wirkung des Geschäftsmodells auf den Klimawandel informiert werden. Andererseits wollen Sie wissen, mit welcher Corporate Strategy und mit welchen messbaren und nachweisbaren Maßnahmen die Unternehmen einen nachhaltigen Wert für die Gesellschaft schaffen und die Transformation ihres Kerngeschäfts in Richtung Nachhaltigkeit vorantreiben (weiterführende Informationen hier unter „Einführung zu CSF lesen“). Die Augen der Stakeholder betrachten immer kritischer die End-to-end Beziehungen von Unternehmen mit der sozialen und ökologischen „Gesundheit“ von unserem Planeten Erde, dem Menschen und der Gesellschaft. Die Betrachtungsebenen sind ein Dreiklang aus:
Daraus entstehen für die Mutigen und Schnellen der Transformation ein Füllhorn an „Chancen ihres nachhaltigen Footprints“. Das reicht von Reputationsgewinn und Vorbildfunktion, über Zuwachs an Marktanteilen und Marktführerschaft, bis hin zu neuen Geschäftsmodellen und Innovationen. Die Langsamen und Unentschlossenen werden dagegen an den Herausforderungen von Regulierung, Technologie sowie der Erwartungshaltung von Gesellschaft und Stakeholdern im Sinne „Risiko ihres nicht nachhaltigen Footprints“ und Verlust der „License to operate“ scheitern.
Mehr Theorie und Praxisbeispiele zum Thema „Chancen und Risiken“ von nachhaltigkeitsintegrierter Unternehmensstrategie kannst Du hier unter „Einführung zu CSF lesen“.
Green Controlling – Technologie: Digitalisierung als Überlebensfaktor
Betrachten wir das Thema Digitalisierung in seiner Eigenheit, dann stellen wir fest, dass sich der Zug in Bewegung gesetzt hat und rasant, wie ein Formel-1-Bolide beschleunigt. Die Unternehmen ringen um den Dreiklang von:
Die Komplexität von Geschäftsmodell und Systemlandschaft sowie Altlasten aus der Unternehmensvergangenheit durch Compliance-Vergehen erschweren oder erleichtern das Vorhaben. Unabdingbar erscheint allerdings die Vorstellung, dass ein Unternehmen ohne „digitale Synthese“ von Anforderungen, Prozessen und Aktivitäten, sowie Daten im digitalen Zeitalter überleben kann. Das unternehmerische Dasein ist somit mit zwei kritischen Komponenten verbunden, einerseits mit dem Reifegrad der Digitalisierung, und andererseits mit dem Reifegrad der Nachhaltigkeit, beides im Sinne „Risiko eines nicht nachhaltigen Footprints“.
Green Controlling – Auslöser: Neue Anforderungen
Neue Anforderungen aus regulatorischen und technologischen Entwicklungen sowie gesellschaftlichen Veränderungen führen dazu, dass Unternehmen für ihr Handeln immer mehr im Fokus stehen, teilweise ad-hoc Rechenschaft liefern müssen und für Regelverstöße in Teilen massiv zur Verantwortung gezogen werden. Für die Unternehmen ist es daher von enormer Bedeutung, sich frühzeitig mit diesen wichtigen Fragen und Entwicklungen auseinander zu setzen.
Darüber hinaus wirken die zwei Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit als Verstärker und Brand-Beschleuniger. Gerade in der aktuellen Zeit sehen wir die verheerende Wirkung durch Covid-19, wenn den Unternehmen und den Menschen die Planbarkeit entzogen wird. Die Unternehmen befinden sich schon seit längerer Zeit im mentalen Sprint-Modus. Aktuelle Veränderungen erfordern in der Regel eine hohe sofortige Aufmerksamkeit, da mögliche Auswirkungen oft ein bedeutendes Gefährdungspotential darstellen. Beispielhafter Auszug:
– Regulatorik (Risiko durch CO2-Bepreisung, Noncompliance durch EU-Taxonomie)
– Technologie (Risiko durch Transition, Existenzielle Bedrohung durch Disruption)
– Stakeholder (Neue Erwartungshaltung: Gesellschaft, Kunden, Investoren)
Green Controlling – Schmerz: Defizite in der Systemlandschaft
In Anbetracht der Schmerz-Frage gibt es wesentliche Eckpfeiler in der Betrachtung des Leidensdrucks. Grundsätzlich ist vorab festzustellen, dass es eine existenzielle Bedrohungslage für die Unternehmen durch das vorgenannte Gefährdungspotential gibt. Umso mehr gilt dies im Kontext Nachhaltigkeit für die emissionskritischen Sektoren. Wenn wir der Warum-Frage gemäß Abb. 1 nachgehen, also „Was ist der Grund für die existenzielle Bedrohung?“, dann müssen wir feststellen, dass es immer höhere Rekord-Strafen für Compliance-Vergehen gibt. Können wir diese Bedrohung messen? Die Antwort lautet definitiv „Ja“! Folgerichtig wird die Bedrohungslage auch in Zahlen immer greifbarer:
– Laut dem Global Risk 2017 Report der Boston Consulting Group sind seit der Finanzkrise 2007-2008 finanzielle Strafen in Höhe von rund 321 Mrd. USD für Banken wegen Noncompliance verhängt worden.
– Laut einer Veröffentlichung von „energiezukunft – Portal für Erneuerbare Energien“ drohen den zehn größten Autohersteller für ihren CO2-Ausstoß in 2021 eine kollektive Geldbuße der EU in Höhe von 114,6 Milliarden Euro.
Wenn wir die Gründe für immer höhere Rekordstrafen hinterfragen, dann ist festzustellen, dass Regelverstöße einerseits das finanzielle Fundament – also die Stabilität unseres Finanzsystems – bedrohen und andererseits das ökologische und soziale Fundament – also unseren Planeten und die Gesellschaft – gefährden.
Abbildung 1: Quelle: Oliver Staudt (2021), Pitchdeck Decomplex Folie 3
Insofern versuchen die Regulatoren mit Rekordstrafen gegenzusteuern und auch Lenkungswirkung zu entfalten. Eine entscheidende Frage ist aber noch zu beantworten: „Warum bleiben die Compliance-Vergehen in den Unternehmen (Anmerkung des Autors: „und der Politik“) weitestgehend bis zum Eintritt des Schadensfalls unentdeckt?“
Die Antwort ist so simpel wie einfach: Die Überwachung & Kontrolle der Anforderungen auf Regel-Einhaltung funktioniert nicht!
Wenn wir diese Fragestellung weiterverfolgen „Warum funktioniert die Überwachung & Kontrolle der Anforderungen nicht?“, dann heißt die ebenso banale Annahme und Antwort: „Weil die Unternehmen nicht in der Lage sind, 1.000nde von textuellen Anforderungen digital und in Echtzeit zu bestimmen, zu messen und effizient zu steuern! Je nach Größe des Unternehmens reden wir über Millionen von Anforderungen. Unter Anforderungen verstehen wir das Folgende:
Regulatorische und aufsichtliche Anforderungen, wie Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, usw.
Anforderungen die im Unternehmen erwachsen, bspw. aus Beschlüssen, Richtlinien, Anweisungen, usw.
Lassen Sie uns die Abbildung 1 betrachten und den Bezug auf die Realität in den Unternehmen interpretieren.
– Die Realität in den Unternehmen zeigt, dass die Unternehmen von einem massiven Anstieg von externen Anforderungen betroffen sind. Aus diesen externen Anforderungen entstehen im direkten Bezug auch massenweise interne Anforderungen.
– Im Idealbild werden diese Anforderungen durch die Geschäftsleitung, gemäß ihrer Verantwortung für die Geschäfts- und Risikostrategie sowie die Organisation, im Unternehmen auf die jeweiligen Fach- und Querschnittsbereiche verteilt.
– Die Erfahrung zeigt vor allem zwei Sachverhalte. Erstens, die Anforderungen bleiben unberücksichtigt mangels Kenntnis oder rechtzeitiger Umsetzung. Zweitens, die Anforderungen bleiben salopp gesagt „im Silo hängen“. Ursachen dafür sind hohe Durchlaufzeiten, qualitativ schlechte Prozesse und nicht wertschöpfende Tätigkeiten. Das Ergebnis ist eine ineffiziente Kommunikation. Abläufe sind oft manuell, in der Regel nicht vernetzt und nur eingeschränkt digital. Im Worst-Case-Fall entsteht sogar eine sogenannte Noncompliance durch schwerwiegende Regelverstöße.
– Warum ist das so? Die Unternehmen arbeiten viel mit kritischen IDV-Lösungen (wie PDF, Word, Excel, und andere Anwendungen) und haben natürlich noch viele weitere Anwendungen und GRC-Systeme als Silo- oder Multi-Silo-Lösungen im Einsatz.
– Was bedeutet das am Ende? Das Ergebnis ist ein Zoo aus Einzel-Anwendungen mit einem hohen Muss-Aufwand und (Multi-) Silo-Lösungen, die eben keine ganzheitliche E2E-Vernetzung und Kommunikation gewährleisten! Also genau das Gegenteil des avisierten Zielbildes einer ganzheitlichen, durchgängigen und digitalen Sichtweise.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Unternehmen jedes Jahr Milliarden Euro in die führenden Technologien-Anbieter und deren Lösungen investieren, um eine Gefährdungslage zu vermeiden und eine effektive Steuerung zu ermöglichen. Als Ergebnis ist leider festzuhalten, dass in der Realität der vermeintliche Schutz kein wirklicher Schutz und eine E2E-Steuerung über die Silo-Grenzen hinaus eine reine Wunschvorstellung ist. Der kausale Zusammenhang kann wie folgt beschrieben werden: Die System-Landschaft ist hoch komplex geworden aber das Problem (Schutz und Steuerung) ist nicht gelöst.
In der Betrachtung der Spannungsfelder möchte ich darauf hinweisen, dass meine Interpretationen und Annahmen natürlich auch davon ausgehen, dass sowohl positive wie auch negative Abweichungen von diesen Ausführungen existieren.
Ich beschreibe hier ein Bild von gefühlten und erlebten Realitäten in der Welt der großen Konzerne, wohlwissend, dass erst eine analytische und intensive Einzelbetrachtung genauere Erkenntnisse zulassen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass industrieübergreifend ähnliche oder deckungsgleiche Problemstellungen vorliegen.
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